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Gescheitert an Demokratie oder Ideologie?

1921 nahm die Versuchsschule Connewitz (54. Volksschule) die Arbeit auf. Die Versuchsschule startete zunächst mit 16 Jungenklassen (Klassenstufe 1 bis 8). Damit wurde ein lang gehegter Wunsch des Leipziger Lehrervereins endlich Wirklichkeit – es wurde eine weltliche Volksschule eingerichtet, in der die zentralen Ideen der Arbeitsschulpädagogik erprobt werden konnten. Der Unterricht war durch zahlreiche reformpädagogische Elemente, wie z.B. einen sinnlich-handlungsorientierten Gesamtunterricht mit Lebenswelt- und Neigungsbezug angereichert. Zwischen Lehrkräften und Schülern sollte ein vertrauensvolles Verhältnis bestehen und das Gemeinschaftsgefühl entwickelt werden. Deshalb wurden ein menschlich- demokratischer Erziehungsstil sowie altersgemäße Mitberatungs- und Mitbestimmungsrechte praktiziert.

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Der Schulversuch wurde vom Institut für experimentelle Pädagogik des Leipziger Lehrervereins (LLV) wissenschaftlich begleitet und stieß in der pädagogischen Fachwelt deutschlandweit und international auf größte Resonanz. Ein großes Konfliktpotential ergab sich von Anfang an daraus, dass die weltliche Einheitsschule auf dem „Bezirkszwang“ bestand, sodass alle Eltern aus dem festgelegten Wohnbezirk ihre Knaben ohne Ausnahme in dieser Versuchsschule beschulen lassen mussten und ihre Kinder nicht in die „normale“ Volksschulen im gleichen Haus schicken durften. Dieser Ansatz, der aus Sicht der Schulforschung sinnvoll ist, traf jedoch auf den Widerstand der Eltern, die keine Versuchsschulbedingungen für ihre Kinder wollten.

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Da alle Lehrkräfte der weltlichen Schule eigenen Religionsunterricht ablehnten, musste dieser von Geistlichen erteilt werden. Dies ging vielen christlichen Eltern zu weit. Ebenso lehnten etliche Eltern die „modernen“ Unterrichtsmethoden für ihre Kinder ab. Die Protestaktionen der Eltern reichten von Unterschriftensammlungen über Eingaben an die Landesregierung bis hin zu mehreren Gerichtsprozessen, in deren Folge die Schule den Versuchsschulstatus aufgeben musste, weil sie sich weigerte, den Bezirkszwang aufzuheben.

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Kartenansicht
Zwenkauer Str. 35 Versuchsschule
Ecke Waisenhausstraße 5. Volksschule, heute Meusdorfer Straße
Kaiser-Wilhelm-Straße 1 (Wohnung von Rita Scharfe), heute August-Bebel-Straße 1

In diesem Teil der Ausstellung zeigen wir, ...

was die Ziele der
Versuchsschule Connewitz waren
und auf welches internationales
Interesse diese stießen

Zum Thema

wie die Methoden der
Arbeitsschulpädagogik
im Unterricht
umgesetzt wurden

Zum Thema

wieso die
Versuchsschule
scheiterte

Zum Thema

Die „Kommunistenschule“ in Connewitz –
ein internationaler „Superstar“?

Lehrkräfte des Leipziger Lehrervereins
als Vorkämpfer für den Arbeitsschulgedanken

Im Mai 1919 wurde der Versuchsschulausschuss des Leipziger Lehrervereins (LLV) unter der Leitung von Carl Rössger beauftragt, ein Konzept für eine städtische Versuchsschule zu entwickeln. Diese Forderung war seit 1905 vom LLV immer wieder gestellt worden. Bereits in den Jahren  1911 bis 1913 gab es 24 Versuchsklassen in Leipzig. Im Herbst 1919 lag der Antrag auf Einrichtung der Versuchsschule vor und wurde von den städtischen Behörden genehmigt. Insbesondere der Stadtrat Dr. Bruno Ackermann  unterstützte vonseiten der Stadt Leipzig die Einrichtung der Versuchsschule.

„Man darf wohl ohne Übertreibung sagen: Wohl kaum in einem Ort Deutschlands finden sich so günstige Vorbedingungen zu einem Versuche, die neuen Gedanken umzusetzen, wie in Leipzig. Hier finden sich Lehrkräfte, die als Vorkämpfer für den Arbeitsschulgedanken eingetreten sind, die in der Methodischen Abteilung des Leipziger Lehrervereins eine Arbeitsgemeinschaft gegründet zur Klärung, allseitigen Begründung und Vertiefung der Idee, die mit ihren Arbeits- und Gesinnungsgenossen in den

Versuchsklassen den Gedanken der Arbeitsschule auf der Unterstufe bereits erprobt und ihre Erfahrungen in dem Buche Gesamtunterricht der pädagogischen Welt zugänglich gemacht haben.“

„1. Aufgabe der Versuchsschule ist es, die wertvollen Einzelbestrebungen zur Arbeitsschulidee, wie sie in Deutschland, vor allem in Leipzig, seit Jahren theoretisch und zum Teil in praktischen Versuchen erarbeitet wurden, in einem einheitlichen großen Versuche zu verwirklichen und so durch wissenschaftlich geleitete Erprobung die Grundlagen zur inneren Neugestaltung des Leipziger Volksschulwesens zu schaffen.

2. Zur Durchführung des Versuchs wird ein besonderer Lehrkörper aus geeigneten freiwilligen Lehrkräften gebildet. Er bildet eine Arbeitsgemeinschaft, die in Verbindung mit dem Bezirksschulrat den Gesamtlehrplan entwirft, ihn durchführt, die Ergebnisse niederlegt und darüber berichtet.

3. Die gesetzlichen Ziele für Unter- und Oberstufe gelten auch für die Versuchsschule

4. Im übrigen setzt der Charakter des Versuchs völlige pädagogische Freiheit der Lehrer und kollegiale Leitung voraus.

5. Zur wissenschaftlichen Vertiefung des Versuchs ist eine enge Verbindung mit dem Psychologischen Institut des Lehrervereins notwendig. Diesem sind einige Arbeitsräume im Gebäude der Versuchsschule anzuweisen.

6. Die Versuchsschule erhält einen in der üblichen Weise deutlich abgegrenzten Volksschulbezirk.

7. Während der Teilnahme an dem Versuch ist die Pflichtzahl der Unterrichtsstunden des Lehrers auf höchstens 20 zu bemessen.

8. Vor dem Beginn des eigentlichen Versuchs übernimmt der Lehrkörper der Versuchsschule die Aufgabe, die erforderliche

Durchbildung seiner Mitglieder für die Versuchsarbeit in besonderen (mit städtischer Unterstützung zu veranstaltenden) psychologischen und technischen Kursen zu vertiefen.“

Anlaufschwierigkeiten

Nach einigen Anlaufschwierigkeiten wurde am 1. April 1921
die 54. Volksschule in der Zwenkauer Straße in Leipzig-Connewitz eröffnet.  Der Unterricht begann mit 16 Knabenklassen in den Jahrgängen 1 bis 8, wobei in den vier unteren Jahrgängen schrittweise auch Mädchenklassen aufgenommen wurden.

Das Schulgebäude in der Zwenkauer Straße war das neueste in Leipzig und wurde zuvor von 1914 bis 1920 als Lazarett genutzt.

Anlaufschwierigkeiten Elke Urban

Die Lehrkräfte der Versuchsschule hatten sich für den Einsatz an der Schule beworben und wurden vom Schulrat Ernst Beyer ausgewählt. Viele von ihnen waren bereits zuvor in den Jahren 1911 bis 1913 in den Leipziger Elementarversuchsklassen eingesetzt und auch in anderen Funktionen im Leipziger Lehrerverein oder im Institut für experimentelle Psychologie und Pädagogik aktiv. Etliche Lehrkräfte veröffentlichten darüber hinaus eigene Beiträge zur Arbeitsschulpädagogik.

Bezirkszwang als
"natürlich bedingte Notwendigkeit"

Für die den Leipziger Lehrerverein und die Lehrkräfte der Versuchsschule war es wichtig, dass die Ergebnisse dieses Schulversuchs auf andere Volksschulen übertragbar sein sollten. Deshalb bestand von Anfang an Konsens, dass die Bedingungen für diese Schule so normal wie möglich sein sollten und alle Kinder aus dem Einzugsgebiet in diese Schule zu gehen hatten („Bezirkszwang“), unabhängig davon, ob ihre Eltern dem Modellversuch und seinen Inhalten zustimmten oder nicht.

Bezirkszwang

Es widerspricht dem Reformpädagogik-Verständnis des Leipziger Lehrervereins, einen Schulversuch „unter besonders zurechtgemachten äußeren, günstigen Verhältnissen … vornehmen zu lassen“.

Die „Kommunistenschule“

Von Anfang an wurde die Versuchsschule als eine „rote“ oder „marxistische“ Schule bezeichnet und als versinkende Volksschule verunglimpft, deren Schüler vor dem Pädagogen-Wahn zu bewahren seien. Dies hing mit den reformorientierten Methoden und ebenso mit der Weigerung des gesamten Kollegiums zusammen, den Religionsunterricht selbst zu erteilen. Manche Eltern trauerten auch den traditionellen Bürgerschulen aus der Kaiserzeit nach.

Rudolf Lehmann, Lehrer an der Versuchsschule,  äußerte später über die Eltern, die gegen die Schule agierten:

„Es gab Eltern die der eben verschwundenen Standesschule, wie sie in der Errichtung der Bürgerschulen … vorhanden gewesen waren, nachtrauern. War es ihnen schon unangenehm, daß sie ihre Kinder mit Arbeiterkindern zusammen in dieselbe Schule schicken mussten, so war ihnen die Versuchsschule erst recht verdächtig, weil hier neuartige Arbeitsformen, durch die das Erinnerungsbild ihrer eigenen Schulzeit völlig beiseite geschoben wurde, nicht nur gelegentlich, sondern grundsätzlich angewendet wurden, und weil die Lehrerschaft in ihrer Gesamtheit die Erteilung des bekenntnismäßigen Religionsunterrichts abgelehnt hatte.“

Paul Georg Münch, ein weithin bekannter Reformpädagoge, beschrieb in seinem Buch „Die Kunst, Kinder zu unterrichten“ (1921) die Einstellung der Leipziger Lehrerschaft zum Religionsunterricht:
„In der modernen Arbeitsschule wird nichts mehr nachgesagt, nachgeglaubt, nachbekannt, in der neuen Schule geht es um Gewinnung von Überzeugungen! Nichts Glaubensverpflichtendes, nichts Kirchlich-Konfessionelles darf das freie Spiel der Kräfte stören!"

Paul Georg Münch – Warnung vor fehlender Religion

"Die Lehrerschaft will von der Religion zurücktreten, wie Maler und Beschauer vom Kunstwerk, wir wollen Abstand zur Religion gewinnen, um sie desto wirksamer betrachten zu können. Durch objektiven Unterricht in der Religionsgeschichte sollen die Kinder die ewigen Werke schätzen lernen, die das religiöse Kulturgut birgt.“

Paul Georg Münch – Warnung vor fehlender Religion

"Internationaler Superstar"

In der pädagogischen Fachöffentlichkeit wurde die Schule zu einem "internationalen Superstar". Zur zweiten Pädagogischen Woche in Leipzig im Herbst 1922, organisiert vom Leipziger Lehrerverein im Auftrag des deutschen Zentralinstituts für Erziehung und Unterricht, besuchten über 1000 Gäste aus dem In- und Ausland den Unterricht und die Vorträge in der Schule.

Pädagogische Woche 1922
Fritz Mack: In der Arbeitsschule

Verlust der führenden Köpfe

Die vier Junglehrer Rudolf Sieber, Carl Rössger, Otto Erler und Paul Vogel entwickelten ab 1905 im Leipziger Lehrerverein die ersten Ideen für das Leipziger Arbeitsschulmodell. Diese erprobten sie in den Leipziger Elementarversuchsklassen von 1911 bis 1913.  Ab 1919 kämpften sie unter der Leitung von Otto Erler für die Einrichtung der Versuchsschule in Leipzig, Rudolf Sieber war 1914 an der Front gefallen.

Otto Erler und Carl Rößger  wurden 1921 nach Plauen und Gotha berufen, um dort als Schulräte die Schulreform weiter voranzubringen.  Paul Vogel wurde 1921 erster Schulleiter der Versuchsschule, verließ die Schule aber schon 1922 und ging als Schulrat nach Gera. Somit fehlten der Versuchsschule ihre geistigen Väter.

Nicht Gehorsam lehrt sie, sondern selbstständiges
Denken, Überlegen und Handeln

Nicht Gehorsam lehrt sie,
sondern selbstständiges Denken

Ein menschlich-demokratischer Erziehungsstil, ein altersgemäßes Mitberatungs- und Mitbestimmungsrecht sowie die Erziehung zur Selbsttätigkeit waren zentrale Ideen der Versuchsschule Connewitz. Das zeigte sich u.a. auch in der Gestaltung der Klassenzimmer, in denen die traditionelle Sitzordnung aufgelöst wurde.

„Unsere Kinder sollen nicht mehr fast die ganze Schulzeit mit schön gefalteten Händen in der Schulbank sitzen und sehen und merken … Nicht Gehorsam lehrt sie, sondern selbstständiges Denken, Überlegen und Handeln; nicht Unterordnung fördert sie, sondern Einordnung, gemeinschaftliches Tun, Kameradschaft, Hilfsbereitschaft.“

Erler, O.: Bilder aus der Praxis der Arbeitsschule. Julius Klinkhardt, Leipzig, 1921. Foto Anhang Tafel I. , Privatarchiv.
Erler, O.: Bilder aus der Praxis der Arbeitsschule. Julius Klinkhardt, Leipzig, 1921. Foto Anhang Tafel I. Darstellung einer praktischen Umsetzung der arbeitsunterrichtlichen Einheit "Die Leipziger Messe" im 7. Schuljahr an der 18. Volksschule (Erler, 1921, S. 102), Privatarchiv.
Erler, O.: Bilder aus der Praxis der Arbeitsschule. Julius Klinkhardt, Leipzig, 1921. Foto Anhang Tafel I. Darstellung einer praktischen Umsetzung der arbeitsunterrichtlichen Einheit "Die Leipziger Messe" im 7. Schuljahr an der 18. Volksschule (Erler, 1921, S. 103), Privatarchiv.
“Schon das gewöhnliche Klassenzimmer ist für die Arbeitsschule nicht brauchbar...“
“In den Klassenzimmern der Oberstufe darf die Schulbank nicht beibehalten werden.
“In den Klassenzimmern der Oberstufe darf die Schulbank nicht beibehalten werden. Hier müssen Tische und Stühle herein.“
“In den Klassenzimmern der Oberstufe darf die Schulbank nicht beibehalten werden. Hier müssen Tische und Stühle herein.“

“Die Schulbänke (gemeint sind die traditionellen festgeschraubten Pulte mit schrägen Schreibplatten) gestatten keine genügende Bewegungsfreiheit zur Arbeit; sie sind nicht zur Aufstellung von Gefäßen und Apparaten für naturkundliche Versuche und Übungen zu gebrauchen… Die Tische müssen kräftig gebaut, am besten 3 m lang und 0,80 m breit und mit 1 bis 2 großen Tischkästen versehen sein…“

Wird da überhaupt etwas gelernt?

Eine zentrale pädagogische Idee der Versuchsschule lag im Gesamtunterricht und dem gemeinschaftlichen Lernen. Lebensweltbezug und Handlungsorientierung waren dabei besonders wichtig und führten zu Methoden, die zum Teil Aufsehen in der Öffentlichkeit erregten.

"Wir wollen oft hinausgehen, wo sich das Leben abspielt… Wir wollen selbst arbeiten – körperlich und geistig – im Garten und auf dem Felde, in der Werkstatt und im Laboratorium; wir wollen messen, schätzen, skizzieren draußen im Freien; wir wollen zeichnen und berechnen, auch in Büchern und Zeitungen lesen, physikalische, chemische und biologische Versuche machen.

Unsere Beobachtungen, Messungen, Zeichnungen, durch
Herstellen von Modellen …Erzählung und Vortrag von Geschichten, Märchen… Gesang und Musik … begleiten die Arbeit"

Die Arbeitsschulidee in der Versuchsschule –
in Korrespondenz mit den Ideen von Hugo Gaudig

Die Leipziger Arbeitsschulvertreter haben einen eigenen Weg der Arbeit als einen Weg der geistigen Erkenntnis entwickelt:

„Damit ist alles radikale Spielen mit dem Arbeitsgedanken von vornherein ausgeschlossen. Nicht Handarbeit an sich, ihr geistiger Anteil ist das für die Schule Wertvolle, nicht eine einseitige technische Methode; aber auch nicht das Ablehnen jeder körperlichen, technischen und intellektuellen Übung, nicht Stoffherrschaft, aber ebensowenig leere geistige Gymnastik; alles in dem Maße und in der Form, wie es der erreichten Bildungshöhe des Kindes und der Eigenart des betreffenden Stoffes am besten entspricht.“

Vor allem im Elementarunterricht spielten vielfältige formende, schneidende und bildnerische Tätigkeiten eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung auf das Schreibenlernen. Die Vorschläge der Bremer Volksschullehrerin Magda Böttger und der Bremer Lehrerin am Kindergartenseminar Emma Vöhl zum fröhlichen Unterricht wurden vom Leipziger Lehrerverein für Leipziger Volksschulen empfohlen und fanden vermutlich auch in der Versuchsschule breite Beachtung.

Teilweise ausgesetzte Lehrpläne

Um den Entwicklungsbesonderheiten der Schulanfänger besser zu entsprechen, wurde in den Eingangsklassen der reguläre Lehrplan ausgesetzt und erst später mit dem Lesen- und Schreibenlernen begonnen. Dennoch sollten bis zum Ende des dritten Schuljahres alle Lehrplanziele erreicht werden. Zugleich wurden die Fächer durch einen beschäftigenden Gesamtunterricht ersetzt, der sich an den Interessen und an der Entwicklungsstufe der Kinder orientieren sollte.

Schriftprobe I (Schülerarbeit) aus den Leipziger Reformklassen, in denen das Lesen- und Schreibenlernen erst ab der 2. Klassenstufe eingeführt wurden (Sammlung Paul Schnabel). 1. Zeile: Erstes Wort, welches das Kind überhaupt geschrieben hat zu Beginn der 2. Hälfte des zweiten Schuljahres, 2. Zeile: Schriftzustand nach 12 Wochen Schreibunterricht, 3. Zeile: Nutzung einer Kugelspitzfeder am Ende des zweiten Schuljahres, 4. Zeile: Schriftzustand Mitte des dritten Schuljahres Methodische Abteilung des Leipziger Lehrervereins (Hrsg.): Gesamtunterricht im 1. und 2. Schuljahr. Zugleich ein Bericht über die Leipziger Reformklassen. 4. Verb. und erweiterte Auflage, Friedrich Brandstetter, Leipzig, 1925, Tafel I im Anhang zum "Bericht über eine Versuchsklasse" von Paul Schnabel, Privatarchiv.
Schriftprobe II (Schülerarbeit) aus den Leipziger Reformklassen, in denen das Lesen- und Schreibenlernen erst ab der 2. Klassenstufe eingeführt wurden (Sammlung Paul Schnabel). 1. Zeile: Erstes Wort, welches das Kind überhaupt geschrieben hat zu Beginn der 2. Hälfte des zweiten Schuljahres, 2. Zeile: Schriftzustand nach 12 Wochen Schreibunterricht, 3. Zeile: Nutzung einer Kugelspitzfeder am Ende des zweiten Schuljahres, 4. Zeile: Schriftzustand Mitte des dritten Schuljahres Methodische Abteilung des Leipziger Lehrervereins (Hrsg.): Gesamtunterricht im 1. und 2. Schuljahr. Zugleich ein Bericht über die Leipziger Reformklassen. 4. Verb. und erweiterte Auflage, Friedrich Brandstetter, Leipzig, 1925, Tafel II im Anhang zum "Bericht über eine Versuchsklasse" von Paul Schnabel. , Privatarchiv.
Schriftprobe III (Schülerarbeit) aus den Leipziger Reformklassen, in denen das Lesen- und Schreibenlernen erst ab der 2. Klassenstufe eingeführt wurden (Sammlung Paul Schnabel). 1. Zeile: Erstes Wort, welches das Kind überhaupt geschrieben hat zu Beginn der 2. Hälfte des zweiten Schuljahres, 2. Zeile: Schriftzustand nach 12 Wochen Schreibunterricht, 3. Zeile: Nutzung einer Kugelspitzfeder am Ende des zweiten Schuljahres, 4. Zeile: Schriftzustand Mitte des dritten Schuljahres Methodische Abteilung des Leipziger Lehrervereins (Hrsg.): Gesamtunterricht im 1. und 2. Schuljahr. Zugleich ein Bericht über die Leipziger Reformklassen. 4. Verb. und erweiterte Auflage, Friedrich Brandstetter, Leipzig, 1925, Tafel III im Anhang zum "Bericht über eine Versuchsklasse" von Paul Schnabel. , Privatarchiv.
Schriftprobe iV (Schülerarbeit) aus den Leipziger Reformklassen, in denen das Lesen- und Schreibenlernen erst ab der 2. Klassenstufe eingeführt wurden (Sammlung Paul Schnabel). 1. Zeile: Erstes Wort, welches das Kind überhaupt geschrieben hat zu Beginn der 2. Hälfte des zweiten Schuljahres, 2. Zeile: Schriftzustand nach 12 Wochen Schreibunterricht, 3. Zeile: Nutzung einer Kugelspitzfeder am Ende des zweiten Schuljahres, 4. Zeile: Schriftzustand Mitte des dritten Schuljahres Methodische Abteilung des Leipziger Lehrervereins (Hrsg.): Gesamtunterricht im 1. und 2. Schuljahr. Zugleich ein Bericht über die Leipziger Reformklassen. 4. Verb. und erweiterte Auflage, Friedrich Brandstetter, Leipzig, 1925, Tafel IV im Anhang zum "Bericht über eine Versuchsklasse" von Paul Schnabel. , Privatarchiv.
Schriftprobe V (Schülerarbeit) aus den Leipziger Reformklassen, in denen das Lesen- und Schreibenlernen erst ab der 2. Klassenstufe eingeführt wurden (Sammlung Paul Schnabel). 1. Zeile: Erstes Wort, welches das Kind überhaupt geschrieben hat zu Beginn der 2. Hälfte des zweiten Schuljahres, 2. Zeile: Schriftzustand nach 12 Wochen Schreibunterricht, 3. Zeile: Nutzung einer Kugelspitzfeder am Ende des zweiten Schuljahres, 4. Zeile: Schriftzustand Mitte des dritten Schuljahres Methodische Abteilung des Leipziger Lehrervereins (Hrsg.): Gesamtunterricht im 1. und 2. Schuljahr. Zugleich ein Bericht über die Leipziger Reformklassen. 4. Verb. und erweiterte Auflage, Friedrich Brandstetter, Leipzig, 1925, Tafel V im Anhang zum "Bericht über eine Versuchsklasse" von Paul Schnabel. , Privatarchiv.
Schriftprobe VI (Schülerarbeit) aus den Leipziger Reformklassen, in denen das Lesen- und Schreibenlernen erst ab der 2. Klassenstufe eingeführt wurden (Sammlung Paul Schnabel). 1. Zeile: Erstes Wort, welches das Kind überhaupt geschrieben hat zu Beginn der 2. Hälfte des zweiten Schuljahres, 2. Zeile: Schriftzustand nach 12 Wochen Schreibunterricht, 3. Zeile: Nutzung einer Kugelspitzfeder am Ende des zweiten Schuljahres, 4. Zeile: Schriftzustand Mitte des dritten Schuljahres Methodische Abteilung des Leipziger Lehrervereins (Hrsg.): Gesamtunterricht im 1. und 2. Schuljahr. Zugleich ein Bericht über die Leipziger Reformklassen. 4. Verb. und erweiterte Auflage, Friedrich Brandstetter, Leipzig, 1925, Tafel VI im Anhang zum "Bericht über eine Versuchsklasse" von Paul Schnabel. , Privatarchiv.
Schriftprobe vii (Schülerarbeit) aus den Leipziger Reformklassen, in denen das Lesen- und Schreibenlernen erst ab der 2. Klassenstufe eingeführt wurden (Sammlung Paul Schnabel). 1. Zeile: Erstes Wort, welches das Kind überhaupt geschrieben hat zu Beginn der 2. Hälfte des zweiten Schuljahres, 2. Zeile: Schriftzustand nach 12 Wochen Schreibunterricht, 3. Zeile: Nutzung einer Kugelspitzfeder am Ende des zweiten Schuljahres, 4. Zeile: Schriftzustand Mitte des dritten Schuljahres Methodische Abteilung des Leipziger Lehrervereins (Hrsg.): Gesamtunterricht im 1. und 2. Schuljahr. Zugleich ein Bericht über die Leipziger Reformklassen. 4. Verb. und erweiterte Auflage, Friedrich Brandstetter, Leipzig, 1925, Tafel VII im Anhang zum "Bericht über eine Versuchsklasse" von Paul Schnabel. , Privatarchiv.
Schriftprobe VIII (Schülerarbeit) aus den Leipziger Reformklassen, in denen das Lesen- und Schreibenlernen erst ab der 2. Klassenstufe eingeführt wurden (Sammlung Paul Schnabel). 1. Zeile: Erstes Wort, welches das Kind überhaupt geschrieben hat zu Beginn der 2. Hälfte des zweiten Schuljahres, 2. Zeile: Schriftzustand nach 12 Wochen Schreibunterricht, 3. Zeile: Nutzung einer Kugelspitzfeder am Ende des zweiten Schuljahres, 4. Zeile: Schriftzustand Mitte des dritten Schuljahres Methodische Abteilung des Leipziger Lehrervereins (Hrsg.): Gesamtunterricht im 1. und 2. Schuljahr. Zugleich ein Bericht über die Leipziger Reformklassen. 4. Verb. und erweiterte Auflage, Friedrich Brandstetter, Leipzig, 1925, Tafel VIII im Anhang zum "Bericht über eine Versuchsklasse" von Paul Schnabel., Privatarchiv.
Inhalts- und Autorenangabe zu den Beiträgen über die Leipziger Reformklassen. Methodische Abteilung des Leipziger Lehrervereins (Hrsg.): Gesamtunterricht im 1. und 2. Schuljahr. Zugleich ein Bericht über die Leipziger Reformklassen. 4. Verb. und erweiterte Auflage, Friedrich Brandstetter, Leipzig, 1925. , Privatarchiv.

Vertrauensverhältnis

Zwischen Lehrkräften und Schülern sollte ein herzliches Verhältnis bestehen und die Kinder sollten Vertrauen gegenüber Lehrkräften aufbauen können.

Die Lehrerin Rita Scharfe wechselte 1921 von der 50. Volksschule an die Versuchsschule Connewitz und begründete dies so:
„Weil mein erster Direktor mir verbot, meine Kinder beim Vornamen zu rufen, und hinzufügte: „Im Verkehr mit den Schülern ist das Beste: zehn Schritte vom Leibe.“ Da war ich froh, dass ich mich bei der Versuchsschule in Connewitz bewerben konnte.“

Wissenschaftliche Erkenntnisse
und individuelle Bedürfnisse von Kindern

Die Lehrerinnen und Lehrer bauten den Unterricht auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und auf den Bedürfnissen ihrer Schüler auf. Dabei berücksichtigten sie die Kenntnisse, Fähigkeiten und Interessen, z.B. im Anfangsunterricht oder in den Neigungskursen.

Die Lehrkräfte der Schule waren eng mit dem Institut für experimentelle Pädagogik und Psychologie des Leipziger Lehrervereins verbunden. Viele Testverfahren aus dieser Zeit wurden in Zusammenarbeit von Wissenschaftlern des Instituts und Lehrkräften in der Schule erprobt und weiterentwickelt, z.B. der Beobachtungsbogen für Schulneulinge sowie Begabungsuntersuchungen von Herbert Winkler. Die Lehrerin Rita Scharfe erforschte Zeichnungen von Kindern und deren Bedeutung für das Erkennen der Entwicklung von Kindern.

Deckblatt des XII. Bandes der Pädagogisch-Psychologische Arbeiten aus dem Institut des Leipziger Lehrervereins von 1922, der die "Testserie zur Untersuchung der Schulneulinge" von Herbert Winkler (wissenschaftlicher Assistent am Institut des LLV) sowie die "Kurze Anweisung zur Verwendung der freien Kinderzeichnung" von Rita Scharfe (Lehrerin an der Versuchsschule Connewitz) enthält Schulze, R.: Pädagogisch-Psychologische Arbeiten aus dem Institut des Leipziger Lehrervereins . Band XII. Dürr'sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig,1922. , Privatarchiv Familie Winkler.
Abbildung aus dem Beitrag von Rita Scharfe (Lehrerin an der Versuchsschule Connewitz) "Kurze Anweisung zur Verwendung der freien Kinderzeichnung", 1922 Scharfe, R.: Kurze Anweisung zur Verwendung der freien Kinderzeichnung. In Schulze, R.: Pädagogisch-Psychologische Arbeiten aus dem Institut des Leipziger Lehrervereins . Band XII. Dürr'sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig,1922, S. 56-64. Abbildung: , Privatarchiv.
Auszug aus dem Beitrag von Rita Scharfe (Lehrerin an der Versuchsschule Connewitz) "Kurze Anweisung zur Verwendung der freien Kinderzeichnung", 1922 Scharfe, R.: Kurze Anweisung zur Verwendung der freien Kinderzeichnung. In Schulze, R.: Pädagogisch-Psychologische Arbeiten aus dem Institut des Leipziger Lehrervereins . Band XII. Dürr'sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig,1922, S. 56-64 , Privatarchiv.

Gescheitert an christlichen Elternvereinen
und Gutachtern oder an eigenen Idealen?

„Unterschriftenattacken“ von Eltern
gegen die "Selbsterziehungsanstalt"

Trotz zahlreicher Formen einer transparenten Elternarbeit wurde von einigen Eltern die Umsetzung des Arbeitsschulkonzepts sehr kritisch beargwöhnt.
Ab 1923 häuften sich „Unterschriftenattacken“ von Eltern, weil ihre Kinder nicht richtig lernen würden. Zugleich nahmen die Spannungen mit der konfessionellen Elternschaft zu, die nicht hinnehmen wollte, dass der Religionsunterricht nicht von den Lehrkräften, sondern von Geistlichen, erteilt wurde.

"Wenn Schüler als Indianer verkleidet zum Unterricht kommen, dann findet man das in dieser Versuchsschule ganz in der Ordnung, es gibt so etwas willkommene Anregung und Anknüpfung für die neuen Lehr- und Lernmethoden.“

"Das wäre eine schöne Erziehung, die es fertig bringt, daß die Kinder entgegen dem Willen der Eltern handeln!"

Was waren die vor Gericht vorgebrachten Kritikpunkte an der Schule? Das Fehlen eines geordneten Lehr- und Stundenplanes, ein höherer Wert der körperlichen Ausbildung als der geistigen, wenige oder keine Hausaufgaben, Handfertigkeitsunterricht als Spielerei,  schmutzige Schüler, ein Traumbuch für Schülerinnen, Lehrspaziergänge als Vernachlässigung der erzieherischen Pflichten, ein kameradschaftliches Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern, Respektswidrigkeit der Schule, fehlende Disziplin, unvorschriftsmäßiger Religions- oder Moralunterricht sowie ein Sinken des moralischen Bewusstseins wegen fehlender Religion.

Gerichtsprozesse wider
die „Zwangsbeschulung“

Gleich vier Gerichtsprozesse wurden von den Eltern Mendt mit Unterstützung des christlichen Elternvereins angestrebt, die ihren Sohn aus dem Unterricht in der Versuchsschule herausgenommen hatten, weil sie dessen „Zwangsbeschulung“ nicht billigten und deswegen eine Strafe von 300 Reichsmark zahlen sollten.

Abschrift aus den Gerichtsakten

Gerichtlich festgestellt:
Ungesetzlichkeit der Versuchsschule

Das Landgericht gab im Februar 1924 dem Vater Recht und bestätigte die Unrechtmäßigkeit der Versuchsschule: „Die Versuchsschule ist nicht eine Schule im Sinne des Reichsvolksschulgesetzes, sie hat eine ganz andere pädagogische Basis. Ein Urteil über die Vorzüge und Nachteile … will und kann das Gericht nicht abgeben.“ Für das Gericht spielte auch das Gutachten von Universitätsprof. Dr. Theodor Litt eine wichtige Rolle. Ihm wurde später vorgeworfen, ein Gutachten geschrieben zu haben, obwohl er die Schule gar nicht kenne.

Aus dem Gutachten von Prof. Dr. Theodor Litt:
„Ein Urteil darüber abzugeben, muss ich ablehnen. Dazu gehört eine genauere Kenntnis der Schule. Ich kenne sie nur aus einer Arbeitskonferenz des Kollegiums, aus der ich einen nachhaltigen Eindruck von dem starken Verantwortungsgefühl desselben mitgenommen habe. Ich glaube dass die Kollegen dieser Schule pädagogische Idealisten sind, die nicht mit beiden Füßen auf der Erde stehen, dass Ziel und Methode dieser Schule über die Art der übrigen wesentlich hinausgeht und dass die Versuchsschule in ihrer Arbeit zu den Schülern von einer ganz neuen pädagogischen Weltanschauung ausgeht."

"Es gibt aber Kinder, und deren Zahl ist nicht klein, denen die Freiheit, die ihnen in der Versuchsschule gewährt wird, gefährlich werden kann, für die es besser ist, in eine straffere Schulform hineinzukommen.“

Die Leipziger Lehrerzeitung Nr. 312 kommentierte das Urteil wie folgt:

„Es sei schwierig, eine juristische Formulierung zu finden. Lehrziel und Methode seien hier nicht so wichtig und auf belangloseUnterschiede komme es dabei nicht an. Hier habe ein neuer pädagogischer Geist, der auch anderwärts vorhanden sei, eine besonders prägnante Form gefunden. Diese neue 'pädagogische Weltanschauung' vertrete einen so genannten Gesamtunterricht, in dem die Anlagen und Kräfte des Kindes sich frei entfalten könnten." 

 "Dieser Unterricht verzichte grundsätzlich auf eine stundenplanmäßige Fächerung und in sittlicher Hinsicht mit dem Gedanken der Gemeinschaftserziehung auch auf die Strafe. Mansolle diese auf Optimismus gegründeten Ideen ruhig wachsen lassen, dann komme das Ergebnis von selbst."

Aus der Versuchsschule
wird eine reguläre Volksschule

Im Dezember 1924 ordnete das Volksbildungsministerium die Aufhebung des Bezirkszwanges an, um die Versuchsschule als solche weiterzuführen. Die Lehrerschaft verzichtete unter diesen Umständen auf eine Weiterführung des Versuchs, da mit dieser Aufhebung die aus ihrer Sicht wichtigste Vorbedingung wegfiele. Deshalb beschlossen Schulausschuss und Stadtverordnetenversammlung 1925 mehrheitlich, die Schule als normale Volksschule weiterzuführen. (StadtAL, SchuA, Kap. V, Nr. 222, Bd.I, Bl. 286-289)

Ein Nachruf erschien auch in der Leipziger Volkszeitung am 21. Januar 1925:

„Es ist erreicht! Von Ostern 1925 an gibt es keine Leipziger Versuchsschule mehr. Christliche Bosheit, Dummheit und Niedertracht haben es - unterstützt von einem gefälligen sächsischen Ministerium für Volksbildung – zustande gebracht, dass ein bedeutsamer pädagogischer Versuch, der weit über Deutschlands

Grenzen hinaus Beachtung und Anerkennung fand, abgewürgt wurde.(…) Unter der Führung des Verbandes der christlichen Elternvereine unternahm alles, was in Leipzig an Stupidität sich zusammenfinden konnte, einen jahrelangen wüsten Feldzug gegen die Versuchsschule. Die letzten Gründe für die Gegnerschaft waren keine pädagogischen, sondern konfessionelle. Da die Lehrer der Versuchsschule keinen Religionsunterricht erteilten, sondern dies dem Geistlichen überließen, ergoss sich der ganze

Hass der Reaktionäre über das Lehrerkollegium. Man bearbeitete die Eltern, ihre Kinder der Schule zu entziehen und suchte durch gerichtlichen Beschluss die Aufhebung des Bezirkszwanges zu erreichen. Geradezu berühmt geworden ist der Prozess Mendt, bei dem das Gericht zwar zahlreiche christliche Gegner, aber keine Freunde der Arbeitsschule als Zeugen vernahm und sich einen Sachverständigen leistete, der noch nie einen Fuß in die Schule gesetzt hatte."

Viele idealistisch gestimmte Lehrkräfte des Leipziger Lehrervereins waren enttäuscht und hatten Probleme, die Gerichtsentscheidung zu akzeptieren:

„Es wird für die pädagogische Welt unverständlich bleiben, daß sich aus der doch so unwesentlichen Begebenheit eines ungerechtfertigten Schulversäumnis (ein Vater hielt seinen Sohn längere Zeit widerrechtlich vom Schulbesuche fern) nicht weniger als vier gerichtliche Prozesse (einer vor dem Schöffengericht, zwei vor dem Landgericht und einer vor dem Oberlandesgericht) entwickeln konnten, von denen die beiden Landgerichtsprozesse die Ungesetzlichkeit der Schule aussprachen … Geradezu tragisch

aber ist es, daß die Rechtsfindung, die noch keineswegs abgeschlossen sein konnte, durch die rein äußerliche Tatsache einer gerichtlichen Verjährung zum Abbruch gekommen ist. Die Fachkreise werden nie verstehen können, daß ein Gericht überhaupt der großen pädagogischen Richtung, der Arbeitsschulbewegung, die Existenzberechtigung in einer staatlichen Schule absprechen konnte.“

Allerdings hatte das Gericht der Arbeitsschulbewegung nicht die Existenzberechtigung abgesprochen. Die Lehrkräfte selbst haben beschlossen, den Status als Versuchsschule zu beenden, weil sie nicht die Aufhebung des Bezirkszwanges nicht akzeptieren wollten.

Das Ende der Versuchsschule -
aber kein Ende der Arbeitsschule

Auch nach dem dem Ende der Versuchsschule setzten die Lehrkräfte weiterhin zentrale Ideen der Arbeitsschulpädagogik um und beteiligten sich mit Vorträgen und Publikationen an der Weiterentwicklung der Reformpädagogik. Der Leipziger Lehrerverein schrieb dazu 1925: 

"Trotz alledem wird die Lehrerschaft den Blick in die Zukunft sich nicht trüben lassen. Die Kraft der pädagogischen Idee ist stärker, als daß man durch Zerbrechen äußerer Wirkungsformen sie abtöten könnte."

Im Hospitationsprotokoll vom 4. März 1926 bescheinigt 
Bezirksschulrat Kurt Wehner der Lehrerin Gertraut Hiemann:

1. Zwischen Lehrern und Kindern herrscht ein herzliches Verhältnis. Die Kinder haben offensichtlich Vertrauen zu ihren Lehrern, und deshalb scheint es fast, als gäbe es die Frage der

Disziplin gar nicht. Das Gemeinschaftsgefühl ist besonders gepflegt. Freude belebt den gesamten Betrieb der 54. Volksschule. Unter solchen Umständen ist ein starker erziehlicher Einfluß möglich, der in vielen Klassen in Erscheinung tritt.

2. Die Kinder sind zu starker Selbständigkeit erzogen. Das zeigt sich darin, wie sie ihre gemeinschaftlichen Angelegenheiten ordnen, wie sie ihre Aufgaben stellen und erledigen, wie sie sich

am Unterricht beteiligen, wie sie ihre Gedanken äußern und niederschreiben.

3. Die Kinder sind in einem besonderen Maße geistig regsam. Ihr Gedankenkreis greift stark hinaus in Natur und Leben. Der behandelte Stoff ist vielseitig verknüpft, ist lebendig, und er wird auf verschiedenartigste Weise zur Darstellung gebracht. Bemerkenswert ist, wie viel an freiwilligen Leistungen hervorgebracht wird.

Kongreßleitung (Hrsg.): Die neuzeitliche deutsche Volksschule. Bericht über den Kongress Berlin 1928. Comenius-Verlag, Berlin, 1928 , Privatarchiv.
Scharfe, R.: Leipziger Schulreform. In Kongreßleitung (Hrsg.): Die neuzeitliche Volksschule. Bericht über den Kongreß Berlin 1928. Comenius-Verlag, Berlin, 1928, S. 345-360. , Scharfe, R.: Leipziger Schulreform. In Kongreßleitung (Hrsg.): Die neuzeitliche Volksschule. Bericht über den Kongreß Berlin 1928. Comenius-Verlag, Berlin, 1928, S. 345-360. Privatarchiv.
Auszug aus Rita Scharfes Beitrag "Leipziger Schulreform", (1928, S. 357), Scharfe, R.: Leipziger Schulreform. In Kongreßleitung (Hrsg.): Die neuzeitliche Volksschule. Bericht über den Kongreß Berlin 1928. Comenius-Verlag, Berlin, 1928, S. 345-360. Privatarchiv.

Anfang des Jahres 1926 geriet die 54. Volksschule erneut in heftige Bedrängnis, denn die Stadt Leipzig benötigte dringend drei neue Schulgebäude für die stark nachgefragten weiterführenden Schulen. In den Jahren zuvor waren infolge zurückgehender Schülerzahlen freie Räume als Zeichen- und Nähsäle, Werk- und Lichtbildräume eingerichtet worden, die jetzt Begehrlichkeiten im Schulamt weckten.
Die Lehrkräfte kämpften zusammen mit vielen Eltern für den Erhalt der 54. Volksschule. Eine Mehrheit der Stadtverordneten sprach sich letztendlich gegen deren Auflösung aus.

„Bei dieser Gelegenheit soll auch die 54. Volksschule, die ehemalige Versuchsschule, von der Bildfläche verschwinden. Die Lehrerschaft dieser Schule und die Eltern, die zu ihr stehen, sind der Meinung, daß nicht die Raumfrage allein maßgebend gewesen ist für die beabsichtigte Auflösung.“

Kartenansicht
Zwenkauer Str. 35
Versuchsschule
Ecke Waisenhausstraße
5. Volksschule,
heute Meusdorfer Straße
Kaiser-Wilhelm-Straße 1
(Wohnung von Rita Scharfe),
heute August-Bebel-Straße 1